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Armin Morbach – vom bunten Hund zum Fashion Experten

VOM BUNTEN HUND ZUM FASHION-EXPERTEN

Schwarze Hornbrille, Dreitage-Bart, Cap, verschmitztes Lächeln – und den Finger bereits in der nächsten Wunde: Armin Morbach ist nicht nur Tausendsassa der deutschen Fashion-Szene, sondern gleichzeitig auch Mahner, Visionär und Vorkämpfer. Wir haben mit ihm über das aktuelle Männerbild, sein Coming-Out in der bayerischen Provinz und Ironie gesprochen.

Küsschen links, Küsschen rechts, und dann hinter dem Rücken das Maul zerreißen? Ein gängiges Vorurteil der Fashion-Welt beläuft sich auf die angeblich fehlende Ehrlichkeit, auf Grabenkämpfe und Schlammschlachten abseits der Catwalks. Mit seiner schonungslosen Ehrlichkeit scheint Armin Morbach ein Gegenentwurf zu sein, der – ob er möchte oder nicht – den Ruf einer ganzen Branche geraderückt. Wer mit dem Wahl-Hamburger spricht, erhält keine abgedroschenen Phrasen oder blumige Umschreibungen, sondern eine ehrliche Meinung. Und so glaubt man dem 49-Jährigen auch, wenn er sagt, dass er „immer mehr kämpfen musste als andere.“

Der Weg in die Fashion-Branche

Auf dieser Einstellung fußt auch der berufliche Erfolg des ausgebildeten Barbiers: Nach seiner Frisör-Lehre arbeitete Armin in den USA, gründete eine Make-Up-Agentur, hob trotz einer Lese-Rechtschreib-Schwäche das TUSH-Magazin aus der Taufe, baute die Künstleragentur Ballsaal Artist Management und die Produktionsfirma HOWtoDO Production auf, wurde international gefragter Hair- und Make-Up-Artist und bestimmt seit zehn Jahren auch hinter der Kamera, wie Models in Szene gesetzt werden. Als ein Fotograf bei einem Shooting nicht auftauchte, schlüpfte er in die Rolle des Bildgestalters – und fand Gefallen daran.

„Als Fotograf hast du mehr Macht als ein Stylist, da kreierst du ganz anders. Man erhält eine größere Wahrnehmung vom Kunden“, erklärt Armin den Reiz der neuen Aufgabe. Mittlerweile ist er ein gefragter Künstler, stellt neben der Auftragsarbeit für Kunden international aus und wurde in die renommierte Sammlung seines Förderers F. C. Gundlach aufgenommen. Seine Werke wirken wie der Schöpfer selber: Pointiert, provokativ und oftmals hyperreal: Ein von Nadeln durchzogenes Gesicht, diabolische Masken aus roten Fingernägeln oder ein als Puppe hergerichtetes Model. „Ich möchte nicht provozieren, um auf meine Bilder aufmerksam zu machen, sondern etwas anstoßen“, verrät der Kreative.

Shitstorms und Ironie

Nachvollziehbar, dass diese Provokationen nicht jedem gefallen. Dass die sozialen Netzwerke jedoch auch ein Ort sein können, an dem sich Unwissenheit und Vorurteile zu einem Shitstorm aufschaukeln, musste Armin vor einigen Jahren erfahren. Als ein Model sich mit einem Mundknebel ablichten lassen wollte, rief das Motiv Unverständnis hervor. Wildfremde User warfen ihm „kranke Fantasien“ und die Absicht vor, die abgebildete Frau „mundtot“ machen zu wollen. Nach zwei Tagen löschte Armin das Bild von seinem Instagram-Feed, „ich möchte mich auch nicht immer erklären.“

Es war nicht der erste Versuch, den Madonna-Fan einzuschüchtern: Über angebliche Nacktbilder, heimliche Fotografien auf Disco-Toiletten und Anfeindungen auf dem roten Teppich berichtet Armin so nüchtern, als würde er über den wöchentlichen Einkauf auf dem Markt sprechen. „Ich brauchte in den vergangenen 35 Jahren viel Ironie“, erklärt er sein Geheimrezept für den Alltagswahnsinn. „Außerdem habe ich von meiner Oma gelernt, erst zu überlegen, und dann zu handeln.“ Obwohl seine Erfahrungen mit Social Media nicht durchweg positiv waren, möchte er die Entwicklung der vergangenen Jahre nicht missen: „Das hat viele Jobs geschaffen, die Fashion-Branche aufgerüttelt, ihr ans Bein gepisst – und es ist immer noch nass!“

Abwechslung zur Fashion-Welt

Um Abstand von der straff getakteten Arbeit zu erhalten, pendelt Armin von der glänzenden Mode-Branche in den erdenden Speckmantel Hamburgs. In der Nähe des Wildparks Schwarze Berge werden am Wochenende Kuchen gebacken, Bäume beschnitten und lange Spaziergänge mit den drei Hunden unternommen. Sie sind das Ying zum stressigen Yang: „Hunde bringen mich extrem runter, das ist wie Meditation. Sie nehmen den Stress, wenn sie sich neben einen legen.“ Kein Wunder, dass in dem ansonsten absolut durchgestylten Instagram-Feed die ersten drei Fotos den Hunden gewidmet sind.

Auf dem Medium erhebt er auch seine Stimme, um für die Rechte Homosexueller zu kämpfen. Auch weil er weiß, wie es ist, ausgeschlossen zu werden: Aufgewachsen im kleinen Haag in Oberbayern, „war ich ein bunter Hund – aber ich hatte auch eine bunte Mutter“, berichtet Armin von seiner Kindheit. Er selber wusste „schon immer, dass ich schwul bin. Und ich dachte, meine Eltern wissen es auch.“ Bis zu dem Tag, als der Vater den 15-Jährigen mit seinem Ballett-Freund erwischt. Was folgt sind ein strenger Pfiff, die Anweisung, direkt ins Auto zu steigen, eine quälende Stille bei der Fahrt nach Hause und Tränen. Doch die Eltern stehen zu ihrem Sohn. Die Bindung ist bis heute eng, „meine Eltern arbeiten auch bei mir im Studio.“

„Viele Männer sind unsicher“

Der Ur-Juror der ersten beiden Staffeln „Germanys Next Topmodel“ steht zu sich selbst – keine Selbstverständlichkeit heutzutage, wie er beobachtet. Besonders Männer seien verunsichert: „Viele fragen sich, was sie sagen dürfen. Wie soll man zum Beispiel in einem Restaurant jemandem Komplimente machen? Das ist spannend, weil man denkt, dass wir schon viel weiter wären. Wir gehen zurück in der Zeit“, sagt Armin. „Ich persönlich finde es nicht schlimm, wenn eine Frau sagt, dass sie sich zuhause wohl fühlt. Aber man muss aufpassen, was man sagt, denn man wird schnell als Chauvinist abgestempelt.“

Zu dieser Unsicherheit gesellt sich in seinen Augen eine Mischung aus prüden Ansichten („Wer spricht denn hier öffentlich über das Bumsen?“) und modernen Hilfsmitteln für das Dating: „Wir haben die Sexualität und das Entdecken des anderen Körpers verlernt. Durch Tinder, Grindr und wie die Apps alle heißen, weiß ich doch schon nach fünf Minuten, worauf der andere steht.“ Für Armin dürfte sich das Leben deswegen gerne wieder mehr im „echten“ Bereich abspielen: Er träumt von einer eigenen veganen Bäckerei, möchte das „Restaurant Liebe“ eröffnen und geht 2021 mit einem neuen TV-Format an den Start. Viel zu tun also. „Früher wollte ich mit 45 oder 50 in Rente gehen. Mein neues Ziel ist die Rente mit 55“, lacht er.

So eine Vita schreit ja förmlich nach einer Biografie, und tatsächlich ist ein Werk über sein Leben fest eingeplant. „Aber nicht, solange meine Eltern leben. Das kann ich ihnen nicht antun“, sagt Armin halb scherzend, halb im Ernst. „Es soll keine herkömmliche Biografie werden, sondern beschreiben, wie ich dahin kam, wo ich jetzt bin.“ Inklusive der Übernachtungen am Strand und dem Betteln auf den Straßen Miamis. Mit den Verunglimpfungen aufgrund seiner Sexualität. Aber auch mit den vielen positiven Erfahrungen, die Armin bei jeder neuen Abbiegung im Leben und der Arbeit im Fashion-Bereich sammelte. Er hat sich eben bislang immer durchgekämpft.

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